Kundgebung in Seelow

Rede bei der Veranstaltung zur Bürgermeisterwahl in Seelow am 25.08.23
Hallo zusammen!
Ich bin vom Offenen MOL Aktionsbündnis für Menschlichkeit und Solidarität in MOL.
Ich komme aus Müncheberg und bin besorgt, das unsere Kreisstadt, eine der kleinsten Deutschland, bald einen AFD-Bürgermeister hat.
Das Offene MOL ist ein Aktionsbündnis von Menschen und Gruppen aus dem gesamten Landkreis. Wir haben Mitglieder von Strausberg bis weit in den Oderbruch.
Wir sind 2019 entstanden um vor den Landtagswahlen ein Zeichen für Menschlichkeit und Solidarität setzen. Wir befürchteten damals ein weiteres Erstarken der AFD, was sich leider auch bewahrheitete: Sie verdoppelte ihre Stimmen und ist jetzt mit 23,6 % zweit stärkste Partei!
Wir befürchten bei der Landtagswahl 2024 so etwas Ähnliches, nur dann würde die AFD stärkste Partei und da graust es uns vor – und deshalb wollen wir als Offenes MOL dagegen systematisch arbeiten. Dazu werden wir dann auch in den nächsten Wochen zusammen zu einem kreisweiten Treffen einladen um eine Art Task Force, eine Aktionsgruppe, für solche Veranstaltungen wie heute zu bilden und uns überlegen, was wir denn sonst noch so tun können,
Immer dann, wenn sich Menschen in ihren Städten und Gemeinden gegen Diskriminierung, gegen Rassismus und Unmenschlichkeit einsetzen versuchen wir sie als Netzwerk dabei zu unterstützen.
So ist zum Beispiel auch Bad Freienwalde ist bunt entstanden, das jedes Jahr ein große Marktfest mit allen Bevölkerungsgruppen macht, und auch Müncheberg ist bunt.
Was wir bereits so alles gemacht haben und gerade planen können Sie auf unserer Internetseite lesen: offenesmol.net – aber das steht auch auf dem Flugblatt, das wir hier gerade an alle verteilen.
Ich möchte ein paar Gedanken zu Falk Janke sagen, den wir ja schon seit Jahren als aktiven und in die rechtsextreme Szene gut vernetzen Akteur kennen.
Sie haben hier kein unbeschriebenes Blatt vor sich, keinen Menschen, dem man ja erst einmal eine Chance geben muss, wie mir eine Seelowerin sagte.
Falk Janke hat seit Jahren Erfahrungen in rechtspopulistischen Parteien gesammelt, schon weit vor seiner Zeit in der AFD.
Begonnen hat er seine Parteikarriere in der CDU als Kreisgeschäftsführer von Märkisch-Oderland. Da war er 30, in Meinigen in Thüringen geboren und nach seiner Ausbildung als Bilanzbuchhalter nach MOL gezogen.
Im Jahr 2001 verließ er die CDU, die ihm nicht radikal genug war, und dann ging es los: Er versuchte sich als bei er rechtspopulistischen „Partei Rechtsstaatliche Offensive“. Besser bekannt als „Schill-Partei“.
Bei der Nachfolgepartei „Offensive-D.“ schaffte er es immerhin bis zum Landesvorsitzenden. Er wollte das Asylrecht aus der Verfassung streichen und eine multikulturelle Gesellschaft verhindern.
2005 gründete er die Wählervereinigung „Die Rechte – Mut zur Wahrheit!“ Zusammen mit der CDU bildete er in der Stadtverordnetenversammlung von Seelow die Fraktion „CDU/Die Rechte“, was bundesweit für Aufsehen sorgte.
Falk Janke arbeitet immer gerne mit Rechtsextremen zusammen: Bis 2014 bildete er mit der DVU sogar eine Fraktion im Kreistag von MOL.
Als Janke 2014 in die Kreistagsfraktion der AFD aufgenommen werden wollte, lehnte der damalige Fraktionsvorsitzenden Winfried Dreger dies ab. Dreger sagte damals, Janke würde die DVU verharmlosen, und kam mit dem Blick auf Jankes rechte Vergangenheit zu dem Schluss: „So jemanden brauchen wir nicht in der AFD!“
Den Kampf gegen Dreger gewann Falk Janke mit Unterstützung der Parteigrößen wie dem damaligen Parteichef Alexander Gauland.
Im März diesen Jahres sprach Janke von geflüchteten Menschen „mit schwierigen Mentalitäten“ und bezeichnete sie als „fremde Menschen mit fragwürdigen und meist abzulehnenden Einreisemotiven.“ Für Seelow fordert Falk Janke einen „Asylbewerber- und Migrationsstopp“ auf seinem Facebook-Profil. (Nur nebenbei: Glücklicherweise liegt das nicht im Ermessen eines Bürgermeisters).
Mittlerweile arbeitet Falk Janke für die AFD-Bundestagsfraktion, wo er gut vernetzt ist.
Trotzdem behauptet er als Bürgermeister ja nur Stadtpolitik machen zu wollen.
In seinem Wahlkampf betont Janke kein Mann der „Altparteien“ zu sein und wettert gegen seinen Gegenkandidaten als „Mogelpackung“. Mit einer solchen Rhetorik versucht die AFD immer wieder die Demokratie und ihre Institutionen lächerlich zu machen, bedient sich gleichzeitig aber all ihrer Vorteile: z.B. der Meinungsfreiheit auch rassistische und diskriminierenden Äußerungen machen zu dürfen und der öffentlichen Parteienfinanzierung.
Es geht nicht Stadtpolitik von Gesellschaftspolitik zu trennen, denn unsere Kommunen sind die Keimzellen der Gesellschaft, hier muss ich die Demokratie zeigen und beweisen.
Der zuständige Lokalredakteur der Märkischen Oder Zeitung verteidigte sich auf meine Kritik an der öffentlichen Veranstaltung mit beiden Kandidaten und der anschließenden Berichterstattung, damit, dass sie sich ausschließlich auf die Stadtpolitik bezogen hätte.
Aber genau damit verhilft man undemokratischen Politikern zu einer Bühne und macht sie wählbar, indem man so tut als ob sie unbeschriebene Blätter sind ohne Geschichte und gesellschaftspolitisches Handeln.
Falk Janke ist aber ein Überzeugungstäter, ein mehr oder weniger zielgerichteter Berufspolitiker, der versuchen wird, hier in Seelow seine Überzeugungen durchzusetzen.
Oder wenn man meint, dass man größere Chancen hat gewählt zu werden, wenn man Jankes politische Überzeugungen gar nicht anspricht – dann liegt man falsch. So wie es Roland Nitz mit seinem Wahlkampf gemacht hat.
Er hat übrigens ausdrücklich nichts mit unserer heutigen Veranstaltung zu tun und lässt uns auch nicht grüßen.
Oder wenn man glaubt, wie mir ein*e Mitstreiter*in aus unseren Reihen sagt, dass wir durch solche Aktionen wie heute, eher AFD-Wähler*innen mobilisieren, halte ich das für falsch. Wenn wir schon nicht mehr an unsere Demokratie glauben, wer dann sonst?
Zur Zeit verhält sich Falk Janke wie der Wolf im Schafspelz, aber wenn er erst einmal als Bürgermeister gewählt wird, wenn er nicht mehr auf die Stimmen der Wähler*innen angewiesen ist, dann werden wir uns für ihr als Bürgermeister unserer Kreisstadt schämen müssen.
Aber er wird ja nicht gewählt!

Rede des Netzwerks für Toleranz und Integration auf der Veranstaltung zur Bürgermeisterwahl am 25.08.23 in Seelow
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
ich freue mich wirklich sehr darüber, dass Sie so zahlreich erschienen sind – trotz dieser Mittagshitze und vielleicht bei dem einen oder anderen dem Ausklang aus der Ferienzeit.
Eine Rede anlässlich zu Bürgermeisterwahl am Sonntag zu halten, löst sehr gemischte Gefühle und Gedanken in mir aus. Denn die wirtschaftliche und politische Krise ist zu komplex und die Ängste bei Vielen sehr groß.
Darauf kann es keine einfachen Antworten geben. Und diejenigen, die das vorgeben, denen ist die Demokratie ein Dorn im Auge beim Fortbestehen ihrer Macht.
Ich vertrete hier das Netzwerk für Toleranz und Integration Märkisch-Oderland. Dieses Netzwerk wurde hier in Seelow vor über über 25 Jahren von engagierten Bürgerinnen und Bürgern und Vertreterinnen aus Politik und Verwaltung gegründet.
Damals wie heute ist der Anspruch Entwicklungen aktiv zu fördern für eine demokratische Gesellschaft. Zahlreiche Menschen setzen sich immer wieder sehr engagiert und kreativ für ein menschenwürdiges Miteinander ein.
Als das Netzwerk in den 90er Jahren gegründet wurde , war ich 15 Jahre alt. Und ein Grund für meine starken Emotionen heute, sind die Erinnerungen an diese Zeit, die man auch die Baseballschlägerjahre nennt.
Ich denke, dass einige, die hier stehen und meiner Generation angehören, wissen wovon ich rede. Als ich mit 13 Jahren das erste Mal Opfer einer Schlägerei mit einer Gruppe von Nazis wurde, erlebte ich meine persönliche Politisierung im Turbogang. Ich hatte bis dato kein Interesse und wenig Ahnung davon. Es folgten Jahre, die geprägt waren von alltäglicher Angst vor rechter Gewalt in der Schule, auf dem Sportplatz, auf Geburtstagsfeiern, in den Ferien auf dem Zeltplatz etc..
Im Unterricht wurde schon mal der Hitlergruß gezeigt, Gruppen in Bomberjacken bauten sich vor einem auf, Drohbriefe mit „Wir werden Euch aufklatschen“ „an die Wand stellen“ etc. waren normal. Was heute auf den Handys kursiert, wurde damals auf kleinen Zettelchen hin- und hergeschrieben. Die Parteien NPD und DVU waren in diesen Kreisen angesagt.
Warum erzähle ich das? Aktuell häufen sich die Berichte über rechte Gewalt an Schulen, Übergriffe auf Migrant:innen, queere Menschen usw.. Der Umgang damit erinnert mich sehr an die damalige Zeit: Diese Vorkommnisse werden vielerorts verharmlost oder aus einer Ohnmacht heraus nicht konfrontiert. Tausende von uns hätten damals die Unterstützung von Erwachsenen sehr gebraucht.
Auch in Hinblick auf diese Kundgebung habe ich mehrmals gehört, dass wir mit dieser Aktion noch mehr Aufmerksamkeit auf die Situation lenken würden. Aber ich bin davon überzeugt, dass eine leise Demokratie nicht funktioniert. Wir müssen Symptome und Ursachen konfrontieren!
Auch ich wünsche mir ein Leben in Frieden und in Sicherheit. Ich wünsche mir ausreichend soziale Angebote und Versorgung für alle Generationen, eine angemessen bezahlte und langfristige Arbeit, bezahlbaren Wohnraum, ein funktionierendes und einfaches zu verstehendes Schulsystem, in dem die Kinder gleiche Bildungschancen genießen, ein vielfältiges kulturelles Angebot, eine adäquate Verwaltung/Bürokratie, eine gute Nachbarschaft usw. Vieles, was da oben steht, ist nicht Teil meiner Realität.
Ich erlebe, dass Politik und Verwaltung keine ausreichend gute Arbeit macht und ein würdevolles Leben von Menschen - wenn´s sein muss - hinter die Interessen von Kapital gestellt wird.
Auch im Netzwerk für Toleranz und Integration ist das Engagement von Zivilgesellschaft in den letzten Jahren oft an dieser Logik gescheitert. Viele haben da keine Lust mehr drauf, sind nach jahrelangem aufreibenden Ehrenamt noch mehr gefrustet von „denen da oben“.
Doch unsere Perspektive, um aus dieser Situation eine bessere Welt zu entfalten, heißt niemals rechts.
Unsere Perspektive sucht Lösungswege, die auf Menschenrechtswerten fußt, wie Solidarität, Gerechtigkeit, Respekt, Toleranz, Dialog, ressourcenschonende Umgang mit der Umwelt und dem Menschen usw..
Eine gesellschaftliche Identität, die auf diesen Werten basiert, braucht eine Politik, die diese Werte in Theorie und Praxis vertritt.
Individuell sollten wir alle unseren Beitrag dazu leisten: Lass uns unsere Menschen so behandeln, wie wir gern selbst behandelt werden möchtet. Lasst uns freundlich zueinander sein.
Geben Sie uns, unseren Kindern und Enkelkindern, Nachbarn, Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Möglichkeit ein Leben zu führen, in dem unser individuelles Sein respektiert wird.
Wählen Sie den Bürgermeister, der sich für die Werte der Demokratie, Vielfalt, Chancengleichheit und Solidarität, Sicherheit durch Dialog und Frieden einsetzt für ein gutes Leben in Seelow.